computer


Die Arbeit des Menschen mit dem Computer (...) gleicht einem Herrn mit einem Diener: Dieser Diener ist von einer unvergleichlich ergebenen Dienstbeflissenheit, arbeitet absolut genau gemäß den Anordnungen und vielfach rascher als der Herr. Dieser Diener arbeitet nach der nackten Logik und spricht und versteht nur seine speziellen Sprachen; Sprachgebilde exakter Logik. Geringste Ungenauigkeit in der Anweisung führt zu einer entsprechend andersartigen, ungewollten Ausführung. Es ist, als würde der Diener geradezu boshafterweise unexakte Anweisungen in Fehlergebnisse auslaufen lassen, um den Herrn dessen Unzulänglichkeit fühlen zu lassen. (...)

Gerade durch seine Dienstbeflissenheit und seine unbedingte Weisungstreue, durch seine Exaktheit und Schnelligkeit, zwingt der Diener dem Herrn seine Eigenart auf; er zwingt den Herrn, sich ganz auf seine (des Dieners) Arbeitsmethodik, Denkweise und Sprache einzustellen und sich dieser anzupassen. Dies führt dazu, daß sich des Herrn eigener Denkstil und des Herrn eigene Gedankenführung jener des Dieners schließlich unterwerfen muß. Gerade die ungeheure Leistungsfähigkeit des Dieners, die ihn im Fortschritt der Wissenschaft zu einem unentbehrlichen Hilfsgeist macht, läßt diese Unterwerfung zu einem fast unausweichlichen Zwang werden. Und in erstaunlicher Weise wird damit der Herr zum Diener und der Diener zum Herrn. (...) Ein derartiges Dienstbarkeitsverhältnis ist damit von großem Nutzen, aber auch von höchst bedrohlicher Gefahr:

Der logische Apparat - nicht nur der Computer als maschinelles, logisches Instrument, sondern die Logik mit ihrer Gesetzlichkeit auch schon als solche - ist ein wichtiges Hilfsmittel zur Beherrschung der Welt und Gestaltung der Wirklichkeit. Auf allen Gebieten des modernen Lebens ist deshalb eine Beherrschung des logischen Apparates, dh die Fähigkeit zu exakt-logischem Denken ein Erfordernis. Der Computer zwingt dazu, sich in dieser Fähigkeit fortgesetzt zu schulen und auszubilden; er zwingt zu exakt-logischem Denken. Dies ist der Nutzen - wenn man es so bezeichnen möchte -, der dem Menschen aus dem Umgang mit dem Computer erwächst.

Zugleich aber ist das Sein so geartet, daß seine Lebendigkeit gerade nicht ein Verharren im logischen Schema darstellt und diese sogar ausschließt, sondern gleichsam erst in der Variation um das logische Gerüst herum ersteht. Die logische Struktur der Welt gleicht dem Knochengerüst des Menschen, welcher aber erst durch das bewegliche Fleisch darum herum zu Leben gelangt; das blanke Skelett ist geradezu das Sinnbild das Todes. (...) So ergibt sich auch das lebendige, schöpferische, segensreiche Denken erst im vielfältigen, beweglichen, freien Spiel um die logisch ausgerichtete Grundstruktur des Denkens herum, in nicht zu enger, sklavischer, tötender Verhaftung an dieses leblose Skelett; aber auch nicht in zu weiter, auflösender, zerstörender Entfernung von dieser tragenden Ordnung. (...) Aber der Computer zwingt dem Menschen eben jenes extrem sich verengende, tötende Formaldenken auf, in welchem das freie, wahrhaft schöpferische Fließen der Gedanken erstickt wird und erlischt. Dies ist die furchtbare Gefahr, die dem Menschen aus dem Umgang mit dem Computer droht; eine Bedrohung, die sich auf unsere gesamte geistige, gesellschaftliche und weltliche Existenz erstreckt. Dies droht den Menschen in den Unmenschen und unser Dasein in eine Hölle zu verwandeln.

Der sich gleichsam vermenschlichende Computer-Automat ist gewiß erschreckend. Aber wirklich deprimierend ist eben die umgekehrte Tendenz der Verautomatisierung des Menschen; nicht nur in seinen Lebensgewohnheiten, sondern vor allem in seinem Denken.

(Bernhard Philberth, Der Dreieine (7. Aufl. 1987), pp. 81 ff.)

 


13. juni 2015   (zurück)   // home / lifeline / stichworte